Restaurant Harmonie im fränkischen Lichtenberg
Das Städtchen Lichtenberg im Frankenwald liegt geradezu malerisch auf einem Bergsporn. Die Stadtanlage, wenn sie auch aufgrund von Großbränden in den Jahren 1814 und 1869 durch Bauten des 19. Jahrhunderts geprägt ist, weist noch die mittelalterliche Struktur auf. Die breite Hauptstraße führt hin zum Schlossberg, auf dem einst die Burg der Stadtherren stand. An der Auffahrt zur Burg steht unscheinbar ein einstöckiges Gebäude, das Restaurant „Harmonie“. Das Haus diente nach der Übernahme des Fürstentums Bayreuth durch Bayern (1810) als Dienstwohnung des Rentamtsdieners; die Finanzbehörde hatte ihren Sitz in der einstigen Schlossökonomie auf der gegenüberliegenden Straßenseite. 1824 veräußerte der Staat jene Immobilie.
Es erwarb sie der Tuchmacher Johann Carl Jungkunz, damals Bürgermeister von Lichtenberg. Er vermietete das Haus der kurz zuvor gegründeten Bürgergesellschaft „Harmonie”. Sie kaufte es 1842 von seiner Witwe. Die Lichtenberger „Harmonie”, 1823 ins Leben gerufen und 1988 aufgelöst, war einer jener Vereine, wie sie im frühen 19. Jahrhundert vielerorts unter diesem Namen entstanden. Sie sollten Stätte der Begegnung für die Honoratioren der jeweiligen Stadt sein. Im Vereinslokal konnte man einkehren und diverse Zeitungen lesen, und es fanden Musik- und Tanzveranstaltungen statt – die Bürgerschaft war unter sich, ungestört von Dörflern und „gemeinem” Volk. Die Vergnügungen waren dabei durchaus volkstümlich. Das Vereinslokal ließ die „Harmonie” 1908 umgestalten. Damals erhielten die beiden Räume wohl ihr heutiges Gesicht: vertäfelt mit dunklem Holz, mit einem Kachelofen im kleineren Zimmer. Im höheren Saal findet sich unter der Decke, zugänglich über eine steile Treppe, eine Orchesterempore, hier als „Manschersderla” bezeichnet.
In diesem gediegenen Ambiente verkehrten die Honoratioren von Lichtenberg, unter ihnen der weltberühmte Geiger Henri Marteau (1874–1934), der sich 1912/13 am Rand der Stadt eine Sommervilla errichtet hatte. Sein Porträt hängt noch heute im Kachelofenzimmer.
1957 verkaufte die Gesellschaft „Harmonie” ihr Vereinslokal, das aber weiterhin ihren Namen trug. Die Käufer betrieben es, zumindest zeitweilig, als Hotel. 1981 erwarben die Wirtsleute Renate und Richard Lentz die Gaststätte. Sie konzentrierten sich ganz auf das Restaurant, zumal Richard Lentz (Bild unten) ein leidenschaftlicher Koch ist, der sein Handwerk im berühmten Hotel Post in Wirsberg gelernt hat.
Sein Stil war geprägt durch ausgewählte Zutaten und raffinierte Zubereitung, kurz: durch eine Küche für hohe Ansprüche, die sich dennoch durch Bodenständigkeit auszeichnet.
Restaurant Harmonie im fränkischen Lichtenberg
Wer in der „Harmonie” einkehrt, darf ein Gericht nicht versäumen: die Schiefertrüffelsuppe. Geschmackliche Grundlage ist ein Röhrenpilz, oft von Richard Lentz selbst gesucht. Der Verwandte des Steinpilzes, nicht des echten Trüffels, gedeiht auf verwittertem Schiefer. Dieser Pilz, andernorts auch Böhmischer Trüffel genannt, botanisch Pisolithus arhizus, verleiht der dunkelbraunen Suppe ein intensives Aroma, das dem des Namensvetters kaum nachsteht.
Das Prinzip abwechslungsreicher Regionalität mit einem Hauch mediterranem Flair haben die Töchter von Renate und Richard Lentz beibehalten, als sie das Restaurant vor einem Jahrzehnt übernahmen. Iris Steiner, wie ihr Vater in Wirsberg ausgebildet, verantwortet gemeinsam mit Küchenchef Florian Färber die kulinarische Handschrift. Die Speisekarte ist klein, aber erlesen und saisonal ausgerichtet.
Autor: Günter Dippold (Professor Dr. Günter Dippold ist Bezirksheimatpfleger und Kulturreferent des Bezirks Oberfranken und lehrt als Honorarprofessor an der Universität Bamberg. Er ist Vorsitzender des Geschichtsvereins „Colloquium Historicum Wirsbergense“ sowie Vorstandsmitglied im Bayerischen Landesverein für Heimatpflege und im Verein KULTUR ERBE BAYERN.)