Warum liegt es Ihnen so am Herzen, junge Leute für Baukultur und Baudenkmäler zu interessieren?
Jan Weber-Ebnet: Wir Architekten und Baukulturvermittler sind der Meinung, dass ein kompetentes Auseinandersetzen mit dem eigenen Ort und dessen Geschichte dringend notwendig ist. Denkmäler bleiben nur erhalten, wenn Menschen sie lieben und schätzen. Die Kinder sind die Bauherren von morgen. Die Erben sind die, die das Kulturerbe weiterbetreiben,
weiterbeleben. Wir müssen Leerstände füllen, neue Nutzungen finden und kreative Milieus anlocken. Es freut uns sehr, dass sich Mein Kulturerbe Bayern jetzt dieser „jungen“ Sparte angenommen hat. Auch das Landesamt für Denkmalpflege sieht das Thema Schule als immer wichtiger an. Was nützen einem schließlich die alten Gebäude, wenn sich niemand mehr für sie begeistert? Wir konnten, trotz Pandemie, viele Partner gewinnen und finden die Allianz, die sich zusammengetan hat, großartig.
Beim ersten Schwerpunktthema drehte sich alles ums Dachwerk. Warum dieses ungewöhnliche Thema?
Stephanie Reiterer: Schon bei den Testläufen haben wir festgestellt, dass Baukonstruktionen für Kinder und Jugendliche relativ verständlich sind. Sie können mit Hebelwirkungen und Kräftefluss erstaunlich gut umgehen und erfassen das meiste intuitiv. Das Dachwerk ist ein komplexes Thema, doch dem haben wir uns gestellt und, zusammen mit Fachleuten, einen Leitfaden entwickelt. Es gibt eine Serie für ältere und eine vereinfachte für jüngere Jahrgänge.
Sie sprechen also den Entdeckergeist der Kinder an und stellen das haptische Erleben in den Vordergrund?
Jan Weber-Ebnet: Genau. Wir versuchen, keine Barrieren aufzubauen. Es sollen keine Gedanken aufkommen wie: „Oje, das ist ja so kompliziert wie Mathe oder Physik.“ In unserem Dachlabor experimentieren wir mit Schnee- und Windlast und da sehen die Schülerinnen und Schüler sofort, wie sich so ein Dachwerk verformt. Damit gehen sie dann in die Dachstühle und erkennen in diesem Wirrwarr aus Balken auf einmal ganz kompetent, wie alles funktioniert. Mit dem Dachforscherbogen können sie Stück für Stück herunterbrechen, wie was zusammenhängt. Im Baudenkmal geht es immer darum, Kopf und Augen zu öffnen, genau hinzugucken: Wo sind Abnutzungsspuren, wo sind Veränderungen, wo ist was geflickt worden?
In welchen Dachstühlen waren Sie schon?
Stephanie Reiterer: Wir haben im Kloster Frauenzell Projekttage gemacht und mit einer Schule in Regensburg den Salzstadel untersucht. Das war toll: Wir haben das Dach 1:1 nachgebaut, sodass die Kinder in der Lage waren, ein statisch funktionierendes Dachwerk zu konstruieren. Eine besondere Lehrer_innenfortbildung hatten wir im Schloss Erkersreuth. Das Porzellanschloss, wie der frühere Wohnsitz des Unternehmers Philip Rosenthal auch genannt wird, steht in der Obhut von KULTUR ERBE BAYERN. An diesem Ort konnten die teilnehmenden Lehrkräfte authentisch erleben, welche Herausforderungen sich stellen, ein Jahrhunderte altes Dachwerk instandzusetzen.
Wissen Sie schon, um was es im kommenden
Schwerpunktthema gehen wird?
Jan Weber-Ebnet: Wir diskutieren als zweites Thema zum Beispiel „Fenster – Öffnung“. Es ist uns wichtig, dass alle unsere Projekte eine Nachhaltigkeit und Verbindlichkeit haben. Unsere Leitfäden können die Schulen über viele Jahre nutzen. Wir werden also weiterhin dazu aufrufen, loszugehen und Dachwerke zu entdecken. Unser Appell: Guckt euch eure Kirchen, Gemeindehallen oder Rathäuser näher an. Baudenkmäler sind spannende Abenteuer!