Der Humplbräu in Wolfratshausen
Im Herzen der historischen Altstadt gelegen, präsentiert sich der fast 400 Jahre alte Humplbräu als ältester und traditionsreichster Gasthof von Wolfratshausen. Oskar Maria Graf wählte ihn für seine Erzählung »Die Firmung« als Schauplatz. Darin war der Berger Bäckerbub mit seinem Paten, »einem ungemein kniggerischen Geizhals«, nach einem langen Fußmarsch erschöpft eingekehrt, während seine Freunde mit »gewichsten Bauernchaisen« bequem zum Wirtshaus fuhren (…) »Mir ist gleich das Wasser im Maul zusammengelaufen, und ich freute mich schon auf den schönen Schmaus.« Doch daraus ist nichts geworden, weil der nodige Herr Pate sich recht lumpen ließ und nur ein »windiges Paar Weißwürste« bestellte.
Eine wahre Sünde wäre es heutzutage, im Humplbräu nur Weißwürste zu essen, auch wenn sie hier ausgesprochen schmackhaft sind. Das traditionsreiche Wirtshaus hat nämlich viele andere bayerische Schmankerl zu bieten: vom zarten Rindsbackerl und feinem Böfflamott bis zum sauren Pressack und zur hausgemachten Milz-, Blut- oder Leberwurst. Der Küchenchef schwört dabei auf seinen 100-jährigen Ofen, in dem Enten- und Schweinsbraten besonders gut brutzeln.
Soll’s mal nichts Fleischiges sein, sind Forellen und Saiblinge aus dem hauseigenen Fischwasser zu empfehlen. Wer will, kann im Humplbräu auch vegetarisch essen: Allein der Kartoffel-Endiviensalat ist ein Gedicht, das wohl auch dem Berger Dichter geschmeckt hätte. Wenn aber einmal im Monat Kalbsköpf und Kälberfüß auf der Speisekarte stehen, vergessen eingefleischte Liebhaber alle veganen Vorsätze.
Wie’s sich gehört, steht in Wolfratshausen das Wirtshaus gleich neben der Kirche. Ihr verdankt es seine erste urkundliche Erwähnung, wenn auch der Anlass tragisch war: 1619 brannte die Pfarrkirche St. Andreas mit dem Nachbargebäude vollständig ab. Ein Jahr später kaufte ein gewisser Hans Humpl das Anwesen und gab ihm seinen bis heute geltenden Namen. Als die Schweden 1632 im Oberland einfielen, stand das Haus erneut in Flammen, doch der Humpl Hans baute es in wenigen Monaten wieder auf. Seit fast 400 Jahren prägt das markante Gebäude den Ort. Im Lauf der Zeit ging es von Hand zu Hand, wurde mehrfach umgebaut und erweitert. Zum ältesten Teil gehört eine Klause mit einer mächtigen Marmorsäule und einem markanten Kreuzgewölbe. Hier kann man sich bildhaft vorstellen, wie es bei der Grafschen Firmung »recht esserisch« zugegangen ist, als die Buben ihre Laugenbrezen hinuntergewürgt und so herzhaft in ihre Weißwürste gebissen haben, dass »der Wurstsaft dem Lechner von Aufhausen ins Gesicht gespritzt ist.«
Der Humplbräu in Wolfratshausen
Den Grundstein für die heutige Wolfratshauser Wirtedynastie legte Hans Fagner 1912, als er das Anwesen für 101.292,46 Goldmark kaufte. Heute führen Otmar Fagner und seine Ehefrau Luxi die Geschäfte, mit Sohn Benedikt steht bereits die fünfte Generation am Herd. Zum Familienbetrieb gehören neben Schwester Marlene auch die 81-jährige Seniorchefin Zilla Fagner, die noch täglich nach dem Rechten schaut und hilft, wo sie gerade gebraucht wird. Sie ist Wirtin mit Leib und Seele. Als Biermadl fing sie einst in München an und heiratete später in den Humplbräu ein. Die Getränke werden übrigens auch heute noch im historischen Bierkeller gekühlt. Er stammt aus einer Zeit, als »im Humpl« noch Bier gebraut wurde: zunächst nur ein braunes Gerstenbier, später dann auch ein Weißes (Helles) und ein Weizen. Allein im Jahre 1803 erzielte der Humplbräu einen Ausstoß von 77 040 Liter. Die Loisachstadt war früher nämlich nicht nur eine Flößer-, sondern auch eine Bierstadt. Bis zu 13 Brauereien gab es am Ort, und ihre Geschichte reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Ein Erlass von Herzog Albrecht IV. hatte 1474 der Gemeinde das Recht gewährt, für Bier, Wein und Met ein »Ungeld«, also eine Art Getränkesteuer, zu erheben. Auch die Brauer verdienten am Durst und wurden zu wohlhabenden und angesehenen Leuten, die bei der Fronleichnams- und Sebastianiprozession hoch zu Ross mitritten. Nach dem Motto »Wasser macht durstig« zählten übrigens die Floßknechte zu ihren treuen und trinkfesten Stammkunden. 1909 stellte der Humplbräu als letzte Wolfratshauser Braustätte das Biersieden ein.
Übrigens: Während die Firmlinge in Oskar Maria Grafs Erzählung ob der Völlerei reihenweise unterm Tisch lagen, braucht man heute nur durch das denkmalgeschützte hölzerne Treppenhaus hinauf ins Hotelzimmer zu steigen, um nach Speis und Trank den Anziehungskräften der Bettschwere zu erliegen.