Kulturerbe Bayern: Für Sie und Ihren 2013 verstorbenen Mann ist und war Denkmalschutz ein Lebensthema. Wie ist es dazu gekommen?
Elisabeth Schosser: Mein Mann hatte immer eine musische Veranlagung und ein ausgeprägtes historisches Interesse. Er hat an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Philosophie studiert, zeitweise auch Musik an der Musikhochschule. Er spielte fast konzertreif Klavier. Sein Schlüsselerlebnis war die Allerheiligenhofkirche in der Münchener Residenz. Der Abriss der im Krieg schwer beschädigten Kirche war vom Bayerischen Landtag bereits beschlossen. Erich hat mit aller Kraft und Leidenschaft für den Erhalt und Wiederaufbau dieser einzigartigen Kirche gekämpft. Dadurch ist ihm bewusst geworden, dass noch viele Denkmäler unter und über der Erde schützenswert sind.
Ich selbst war im Münchner Stadtrat und habe mich als Mitglied im Bauausschuss auch mit Denkmälern und Denkmalschutz in der bayerischen Landeshauptstadt beschäftigt. Es war also schon von mir aus ein Interesse für diese Belange da, nicht nur, weil ich seine Ehefrau war.
Kulturerbe Bayern: Sie haben unter dem Dach von Kulturerbe Bayern die Dr. Erich und Elisabeth Schosser-Stiftung gegründet. Die Stiftung will vor allem das Verständnis und das Engagement junger Menschen in Bayern für die Aufgaben und Belange des Denkmalschutzes fördern. Was war die Motivation dazu?
Elisabeth Schosser: Mein Mann war über 30 Jahre Vorsitzender des Landesdenkmalrats, der auf der Grundlage des Denkmalschutzgesetzes zur Beratung der Staatsregierung eingeführt wurde. Dieses Ehrenamt hat er leidenschaftlich gerne gemacht. Er hat dabei auch immer wieder für mehr finanzielle Mittel für den Denkmalschutz in den Haushalten gearbeitet, da die Gelder leider eine Zeitlang ständig gekürzt wurden.
Kulturerbe Bayern hat eine wichtige Aufgabe übernommen. Ich habe über den Bayerischen Landtag immer wieder mitbekommen, dass es viel bürgerschaftliches Engagement für den Denkmalschutz gibt. Ich selbst habe mich früher auch privat engagiert, beispielsweise habe ich für den Wiederaufbau und die künstlerische Ausgestaltung der abgebrannten Kirche Herz Jesu in München-Neuhausen fast eine halbe Million Mark gesammelt. Um bürgerschaftliches Engagement zu aktivieren und zu bündeln braucht man eine starke Organisation, die immer wieder anschiebt und so der Idee zum Durchbruch verhilft. Das will ich unterstützen, besonders im Hinblick auf die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.
Kulturerbe Bayern: Was sind die Aufgaben und Ziele der Dr. Erich und Elisabeth Schosser-Stiftung?
Elisabeth Schosser: Wir wollen denkmalpflegerische Maßnahmen fördern und auch die Möglichkeit für die Menschen, konkret an solchen Projekten ehrenamtlich mitzuwirken. Vor allem liegt uns die Förderung von Denkmalbewusstsein bei jungen Menschen am Herzen. Die Stiftung wird deshalb einen Jugenddenkmalpreis verleihen. Ich war früher auch im Kinder- und Jugendhilfeausschuss des Stadtrats und habe dort gelernt, dass man früh ansetzen muss. Deswegen bin ich auf die Idee gekommen, einen Preis für junge Menschen bis 25 Jahre auszuloben, die sich mit dem Thema Denkmalschutz in irgendeiner Weise befassen. Nur so kann meines Erachtens die Begeisterung in nächste Generationen weiter getragen werden.
Ein besonderes Augenmerk meines Mannes war auch immer die Förderung des Handwerkernachwuchses. Für ihn war es selbstverständlich, dass das Handwerk mit Denkmalschutz eine Einheit bildet. Sachgemäßer Umgang mit Denkmälern ist nur durch eine fundierte fachliche Ausbildung möglich. Daher möchte die Stiftung auch diesem Gedanken Rechnung tragen.
Kulturerbe Bayern: Ein wesentlicher Schritt für den Denkmalschutz war die Einführung des Denkmalschutzgesetzes 1973. Ihr Mann gilt als der „parlamentarische Vater“ dieses Gesetzes.
Elisabeth Schosser: Nachdem er 1966 das erste Mal in den Bayerischen Landtag gewählt wurde, hat er sich dem Denkmalschutz als kulturpolitischem Thema angenommen, das im Landtag bis dato keine Rolle spielte. Aus den Erlebnissen rund um den Wiederaufbau der Allerheiligenhofkirche ist die Idee entstanden, etwas Grundsätzliches für den Denkmalschutz zu tun. In ihm ist der Gedanke gereift, der Freistaat Bayern brauche ein Denkmalschutzgesetz.
Folglich hat er diese Idee immer wieder als Antrag in die Fraktion eingebacht und immer hieß es, „Erich das kannst Dir sparen, so einen Schmarrn brauchen wir nicht in Bayern“. Er hat nicht aufgegeben. Schlussendlich hat er den Gesetzesantrag mit Unterstützung des damaligen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD, dem Münchner Abgeordneten Dr. Jürgen Böddrich, durchbekommen. Als das Gesetz dann endlich da war, stellte sich heraus, dass es das modernste in ganz Europa war. Andere Länder haben übrigens vieles daraus übernommen.
Denkmalschutz war ein gemeinsames Anliegen meines Mannes und mir, es hat uns immer beide beschäftigt. Wir waren 35 Jahre verheiratet und haben uns stets aus beiden Richtungen für dieses Thema eingesetzt. Insofern soll die Stiftung helfen, unser gemeinsames Lebenswerk weiterzutragen.
Interview: Veronika Schöner
Elisabeth Schosser war von 1972 bis 2008 und nochmal von 2013 bis 2014 Mitglied des Münchner Stadtrats. Sie ist u.a. als Präsidentin des Bayerisch-Ungarischen Forums und als Vorsitzende des Münchener Sicherheitsforums e.V. aktiv tätig. Für ihr Engagement wurde sie mit der Goldenen Bürgermedaille der Landeshauptstadt München ausgezeichnet.
Dr. Erich Schosser (geb. 1924, gest. 2013) war Redakteur beim Bayerischen Rundfunk. Von 1966-1994 vertrat er als Abgeordneter den Stimmkreis München-Nymphenburg im Bayerischen Landtag. Von 1973 bis 2003 war er Vorsitzender des Landesdenkmalrats und gilt als Vater des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes. Für sein Engagement wurde er mit dem Bayerischen Verdienstorden, der Komtur des St.-Gregorius-Ordens und der Medaille „München leuchtet – Den Freundinnen und Freunden Münchens“ ausgezeichnet. Bis zu seinem Tode war Erich Schosser Ehrenvorsitzender des Bayerischen Landesdenkmalrats und Kuratoriumsmitglied in der Bayerischen Volksstiftung.